Aachener Zeitung und Aachener Nachrichten vom 19.08.2014

Wildtiere im Zirkus:
Qual oder Kulturgut?

Ist so etwas noch zeitgemäß?

Sie steigen auf Podeste, drehen sich im Kreis oder machen Männchen: Wilde Tiere wie Elefanten und Löwen sind in manchen Zirkussen die Sensation.

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Die Tierschutzorganisation Peta will im Bundesagrarministerium eine Online-Petition mit 600 000 Unterschriften für ein Wildtierverbot in Zirkussen übergeben.
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Peta übergibt 600 000 Protest-Unterschriften

VON CHRISTINA STICHT

Berlin/Einbeck.
Ein geschmückter Zirkuselefant liegt auf der Straße, erschöpft an ein Auto gelehnt. Schüsse fallen, die graue Haut färbt sich rot von Blut. Ein Video der Tierrechtsorganisation Peta zeigt die letzten Minuten im Leben der afrikanischen Elefantenkuh Tyke auf Hawaii. Am 20. August 1994 wurde das 3600 Kilo schwere Tier in Honolulu mit 86 Schüssen von Polizisten erschossen, nachdem es in der Manege seinen Trainer getötet hatte und geflohen war.

Ein neuer Anlauf

Der gewaltsame Tod von Tyke ist für Gegner der Haltung und Dressur von exotischen Tieren weltweit zu einem Symbol geworden. An diesem Mitt-woch will Peta mehr als 600 000 online gesammelte Unterschriften an das Bundesagrarministerium überge-ben. Es ist ein neuer Anlauf, das seit Jahrzehnten diskutierte Wildtierverbot im Zirkus durchzusetzen. Der Bundesrat hatte bereits 2003 und zuletzt 2011 gefordert, unter anderem Elefanten, Bären und Flusspferde aus den rund 400 umherziehenden Betrie-ben zu verbannen.

Aus Sicht von Tierschützern können die Exoten auf den Tourneen weder artgerecht gehalten werden, noch sei eine Dressur ohne Hiebe möglich. Die Zirkusse dagegen beteuern, dass die Tierlehrer keine Gewalt anwenden. „Unsere Raubkatzen sind von klein auf an den Menschen gewöhnt“, sagt Dieter Seeger, Tourneeleiter des in Einbeck ansässigen Zirkus Charles Knie. „Ohne Tiere könnten wir dichtmachen.“ In Österreich sei nach dem 2004 beschlossenen Wildtier-verbot die Zirkuskultur zusammen-gebrochen. „Nur ein Zirkus mit Tieren ist ein richtiger Zirkus“, betont auch Max Siemoneit-Barum, Tierschutz-beauftragter des Circus Krone in München.

In Deutschland haben einige Kommunen Regelungen zum Verbot bestimmter Tierarten auf städtischen Flächen getroffen, gegen die sich die Betriebe teils vor Gericht wehren. Wenn die Artisten und Dompteure ihre Zelte aufbauen, kommen vieler-orts nicht nur neugierige Kinder an der Hand ihrer Großeltern, sondern auch Tierrechtler mit Protestplakaten. Gegen die Peta-Kampagne, die von Prominenten unterstützt wird, stellt sich das Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Circus“. „Tierrechtler behaupten immer wieder, dass Elefanten im Zirkus nur die Hälfte ihrer natürlichen Lebenserwartung erreichen. Diese Behauptung ist falsch“, sagt der Sprecher des Bündnisses, Dirk Candidus.

Doch ist es noch zeitgemäß, dass Elefanten Männchen machen oder Tiger durch brennende Reifen springen? Schließlich können Kinder exotische Tiere auch im Zoo oder durch Fernsehfilme kennenlernen. Der Schweizer Elefantenexperte Fred Kurt hat als Tierpfleger im Zirkus Knie angefangen. Heute sieht er die Dickhäuter in den Manegen fehl am Platz. „Die Elefanten werden mit allerlei Tricks gezwungen, aufrecht zu gehen“, sagt der Biologe. Die Folge seien überforderte Glieder, Gelenke und Sehnen. Die Bundestierärzte-kammer hat sich bereits 2010 für ein Wildtierverbot im reisenden Zirkus ausgesprochen.

Artgerecht? Tierschützer argumentieren, dass ein Elefant derartige Übungen freiwillig wohl nicht machen würde. Foto: dpa


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