Aachener Nachrichten vom 08.01.2014

BUND warnt vor Hormonfleisch
Naturschützer machen mobil gegen den Einsatz der Stoffe in der Schweinezucht. Dies sei nicht nur für die Tiere, sondern auch für Menschen gefährlich, die das Fleisch essen.
Der zuständige Minister winkt ab.
VON WERNER KOLHOFF

Berlin.
Ihre Proteste gegen den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung haben schon zu Gesetzesänderungen geführt, die ab April wirksam werden. Jetzt richten die Naturschützer vom BUND ihre, Kritik auf Hormon-abgaben in der Schweinezucht. Agrar-minister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht hier allerdings überhaupt kein Problem, das Umweltbundesamt nur ein Geringes.

Laut einer gestern veröffentlichten BUND-Studie werden Sexualhormone systematisch an Zuchtsauen verab-reicht, um die Arbeitsabläufe in den Ställen zu erleichtern und die Würfe zu vergrößern. In der bäuerlichen Landwirtschaft erreiche man ähnliche Effekte durch intensivere Betreuung der Tiere oder auch durch bestimmte Lichtprogramme. Die Hormonabgabe betreffe vor allem industrielle Zucht-anlagen mit bis zu 10.000 Sauen, wie sie in Ostdeutschland und Nieder-sachsen anzutreffen sind. Dort ver-suche man mit den Medikamenten die Tiere gruppenweise in ihrem Frucht- barkeitszyklus zu „synchronisieren“, um die künstliche Besamung arbeits-sparender durchführen zu können. Weitere Hormone gebe es dann, um die Geburten zeitlich zu steuern, und anschließend, um die Tiere möglichst schnell wieder trächtig werden zu lassen.

BUND-Agrarexpertin Frau Reinhild Benning sieht hier zum einen ein Problem des Tierschutzes. Man ver-suche aus den Sauen „das Letzte rauszuholen“. Die durchschnittliche Ferkelzahl pro Sau und Jahr ist seit 1994 laut der Studie von 18,5 auf 25 gestiegen, die Abnutzung der Sauen nimmt zu. Sie werden im Durch-schnitt kaum noch drei Jahre alt. Benning sprach von „Geburten am Fließband“. Oft würde bei den einzelnen Würfen die Ferkelzahl die 14 Zitzen übersteigen, die die meisten Sauen haben, so dass der Nachwuchs nicht richtig ernährt werden kann. Auf bis zu 19 Ferkel gehe es hoch.
Die überzähligen Tiere, die meist ohnehin geschwächt zur Welt kämen, würden dann einfach erschlagen. Auch der Mensch sei negativ betroffen, sagte Benning. über die Ausschei-dungen der Tiere könnten Hormon-reste ins Trinkwasser gelangen. Dort gebe es ohnehin schon eine Grund-belastung mit Hormonen aus der Humanmedizin, etwa der Anti-Baby-pille, sowie aus der Rinderzucht.

Allerdings ist die beim Menschen ein-gesetzte Menge an Hormonen mit rund 13 Tonnen fast 20 Mal so hoch wie die zuletzt registrierten 670 Kilogramm für Zuchtsauen. Die Zahl stammt aller-dings von 2003. Der BUND verlangt dringend neue Statistiken und eine bessere Registrierung, zum Beispiel in Dateien zusammen mit dem Antibio-tikaeinsatz. Erst so könne man auch überwachen, dass bei einer Schlach-tung nach einer Hormonabgabe die nötige Karenzzeit von neun Tagen eingehalten werde. Ansonsten könnten Hormone direkt im Fleisch stecken. Vor allem im Säuglings- und Klein- kindalter reagierten Menschen äußerst sensibel auf Störungen ihres Hormon-
haushaltes. Das könne zu Missbil-dungen der Sexualorgane, vorzeitiger Pubertät und sogar erhöhten Krebs-raten führen.

Laut Umweltbundesamt gibt es keine zusätzliche Hormonbelastung aus der Schweinezucht. Das Grundwasser sei sauber, hieß es. Allerdings sei die Fortpflanzungsfähigkeit von Fischen und Amphibien beeinträchtigt. Das Amt fordert daher ein schärferes Zu-lassungsverfahren der Präparate, eine Umweltverträglichkeitsprüfung.

Im Agrarministerium hieß es hingegen, der Einsatz sei nach EU-Recht „zuge-lassen und üblich“. Er sei ein „inte-graler und legaler Bestandteil der Nutztierhaltung“. Verboten sei in Europa jedoch die Verabreichung von Wachstumshormonen, sogenannter Steroide, wie sie teilweise auch Kraft-sportler nehmen. Deutschland werde bei den Verhandlungen um das trans-atlantische Freihandelsabkommen darauf achten, dass die europäischen Standards nicht aufgegeben würden. In den USA sind auch Wachstums-hormone erlaubt.


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