VON LARS NICOLAYSEN
Taiji.
Es ist ein erschütternder Anblick. In hektischen Stößen spritz Wasser aus den
Atemlöchern der Delfine, viele versuchen vergeblich, durch die Absperrnetze der Fischer zu ent-kommen.
Durch Hämmer auf ins Meer gehaltene Metallstangen hatten die Jäger zuvor bei Sonnenaufgang den
Orientierungssinn der Tiere lahm-gelegt und sie in die Bucht getrieben. In der malerischen Lagune nahe des
kleinen Walfangstädtchens Taiji etwa 700 Kilometer südlich von Tokio sortieren Tiertrainer die
schönsten Exemplare im Auftrag von Delfinarien aus. Danach beginnt ein bestialisches Gemetzel.
Fischer zerren die wild zappelden Tiere, die nicht für den Verkauf aussortiert wurden,
zu dritt oder viert an der Seite von Motorbooten hängend in eine benachbarte Lagune – wobei
sie bei Wendemanövern über die gefangenen Tiere Delfine fahren. Andere werden in der für
die Öffent-lichkeit gesperrten Bucht mit Speeren, Haken und Messern abgeschlachtet.
Die grausigen Szenen wiederholen sich Jahr für Jahr zwischen Septem-ber und März. Der
amerikanische Taucher und Unterwasser-Fotograf
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Louie Psihoyos hat das Gemetzel vor Jahren mit Hilfe
versteckter Kameras gefilmt und der Weltöffentlichkeit in seinem mit dem „Oskar“
gekrönten Dokumentarfilm „Die Bucht“ vor Augen geführt. Die Bilder sorgten für
weltweite Empörung – gestoppt wurde die Jagd auf die Delfine jedoch noch immer nicht.
Augenzeugenberichten zufolge haben die Delfinjäger von Taiji in diesen Tagen mehr als
250 Meeressäger zusammengetrieben, darunter auch viele Jungtiere. Auf Facebook mobilisierte der wohl
bekannteste Gegner der japanischen Delfinjäger, der Amerikaner O'Barry, seit Jahren Widerstand
gegen das Treiben in Taiji. O'Barry war in den 60er Jahren Trainer der Delfine für die TV-Serie
„Flipper“, seit 1970 aber kämpft er unermüdlich für den Schutz der
Meeressäuger. Die Delfin-Industrie unterstütze die Treibjagd, indem sie die Fischer für
ihr schlimmes Verhalten entlohne, sagte O'Barry der Deutschen Presse-Agentur während einem seiner
jährlichen Aufenthalte in Taiji.
Der Artenschutzorganisation Pro Wildlife zufolge werden immer mehr Delfine und Kleinwale lebend
gefan-gen, um für Tausende Dollar pro Tier in Delfinarien in Japan sowie anderen
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Ländern wie
China, der Türkei, Thailand und Mexiko zu enden. Für die in Japan an
der Jagd beteiligten
Fischer ein lukratives Geschäft: Waren es 2002 noch 19 lebende Tiere, habe der Lebendfang 2010 mit
213 Tieren seinen bisherigen Höhepunkt erreicht, teilte Pro Wildlife vor Beginn der laufenden
Jagdsaison mit. Die Artenschützer berichten allerdings auch, dass die Zahl der gejagten Delfine in den
letzten zehn Jahren um 83 Prozent zurückgegangen sei – von 18.369 auf 3.104 Tiere. Ein Trend, den
die Regierung bestätigt. Als Grund für den Rückgang führt sie die Tsunami-Katastrophe vom
11. März 2011 an, bei der viele Fischer ihre Boote verlohren. Pro Wildlife vermutet dagegen, dass
jüngere Japaner um die Belastung des Fleisches der Delfine mit Giftstoffen wissen und es kaum noch
verzehren.
Allerdings wird in Japan ohnehin wenig Wal- oder Delfinfleisch geges-sen. Dennoch geht die Jagd weiter:
Zum einen sehen die Jäger Delfine als Konkurrenten an, da sie Fisch fres-sen. Zum anderen aber lockt das
Geschäft mit Lebendtieren. Je mehr zusammengetrieben werden desto höher ist die Chance, besonders
schöne Exemplare zu finden.
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