Aachener Zeitung vom 21.01.2014

Blutiges Gemetzel in der Bucht
Alljährlich machen Fischer in Japan brutal auf Tausende Delfine.
Einzelne Exemplare verkaufen sie für viel Geld an Delfinarien. Den Rest schlachten sie ab. Tierschützer laufen seit Jahren Sturm – vergeblich.
VON LARS NICOLAYSEN

Taiji.
Es ist ein erschütternder Anblick. In hektischen Stößen spritz Wasser aus den Atemlöchern der Delfine, viele versuchen vergeblich, durch die Absperrnetze der Fischer zu ent-kommen. Durch Hämmer auf ins Meer gehaltene Metallstangen hatten die Jäger zuvor bei Sonnenaufgang den Orientierungssinn der Tiere lahm-gelegt und sie in die Bucht getrieben. In der malerischen Lagune nahe des kleinen Walfangstädtchens Taiji etwa 700 Kilometer südlich von Tokio sortieren Tiertrainer die schönsten Exemplare im Auftrag von Delfinarien aus. Danach beginnt ein bestialisches Gemetzel.
Fischer zerren die wild zappelden Tiere, die nicht für den Verkauf aussortiert wurden, zu dritt oder viert an der Seite von Motorbooten hängend in eine benachbarte Lagune – wobei sie bei Wendemanövern über die gefangenen Tiere Delfine fahren. Andere werden in der für die Öffent-lichkeit gesperrten Bucht mit Speeren, Haken und Messern abgeschlachtet.
Die grausigen Szenen wiederholen sich Jahr für Jahr zwischen Septem-ber und März. Der amerikanische Taucher und Unterwasser-Fotograf
Louie Psihoyos hat das Gemetzel vor Jahren mit Hilfe versteckter Kameras gefilmt und der Weltöffentlichkeit in seinem mit dem „Oskar“ gekrönten Dokumentarfilm „Die Bucht“ vor Augen geführt. Die Bilder sorgten für weltweite Empörung – gestoppt wurde die Jagd auf die Delfine jedoch noch immer nicht. Augenzeugenberichten zufolge haben die Delfinjäger von Taiji in diesen Tagen mehr als 250 Meeressäger zusammengetrieben, darunter auch viele Jungtiere. Auf Facebook mobilisierte der wohl bekannteste Gegner der japanischen Delfinjäger, der Amerikaner O'Barry, seit Jahren Widerstand gegen das Treiben in Taiji. O'Barry war in den 60er Jahren Trainer der Delfine für die TV-Serie „Flipper“, seit 1970 aber kämpft er unermüdlich für den Schutz der Meeressäuger. Die Delfin-Industrie unterstütze die Treibjagd, indem sie die Fischer für ihr schlimmes Verhalten entlohne, sagte O'Barry der Deutschen Presse-Agentur während einem seiner jährlichen Aufenthalte in Taiji.
Der Artenschutzorganisation Pro Wildlife zufolge werden immer mehr Delfine und Kleinwale lebend gefan-gen, um für Tausende Dollar pro Tier in Delfinarien in Japan sowie anderen

Ländern wie China, der Türkei, Thailand und Mexiko zu enden. Für die in Japan an der Jagd beteiligten Fischer ein lukratives Geschäft: Waren es 2002 noch 19 lebende Tiere, habe der Lebendfang 2010 mit 213 Tieren seinen bisherigen Höhepunkt erreicht, teilte Pro Wildlife vor Beginn der laufenden Jagdsaison mit. Die Artenschützer berichten allerdings auch, dass die Zahl der gejagten Delfine in den letzten zehn Jahren um 83 Prozent zurückgegangen sei – von 18.369 auf 3.104 Tiere. Ein Trend, den die Regierung bestätigt. Als Grund für den Rückgang führt sie die Tsunami-Katastrophe vom 11. März 2011 an, bei der viele Fischer ihre Boote verlohren. Pro Wildlife vermutet dagegen, dass jüngere Japaner um die Belastung des Fleisches der Delfine mit Giftstoffen wissen und es kaum noch verzehren.
Allerdings wird in Japan ohnehin wenig Wal- oder Delfinfleisch geges-sen. Dennoch geht die Jagd weiter: Zum einen sehen die Jäger Delfine als Konkurrenten an, da sie Fisch fres-sen. Zum anderen aber lockt das Geschäft mit Lebendtieren. Je mehr zusammengetrieben werden desto höher ist die Chance, besonders schöne Exemplare zu finden.

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Japanische Medien schweigen das Thema tot

Immerhin sind es nicht mehr nur Ausländer wie Tierschützer Richard O'Barry oder Mitglieder der streit-baren Organisation Sea Shepherd, die gegen die Jagd in Taiji Sturm laufen. Es gebe inzwischen auch äußerst engagierte junge Japaner, die den Mut
haben, vor Ort gegen das Treiben in Taiji zu protestieren, macht O'Barry seinen Anhängern Mut – auch wenn Japans Medien das Thema weiter tot-schweigen.

Nun haben die Gegner prominente Vertärkung bekommen: Auch die neue US-Botschafterin in Japan, Caroline Kennedy, übte Kritik an der „Unmenschlichkeit“ der Delfintötun-gen. Dass sich dadurch etwas an den bis März laufenden Jagden ändert, ist allerdings zu bezweifeln.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Zeitungsartikel
der Aachener Zeitung vom 04.09.2010:

Die Bucht der abgeschlachteten Delphine"



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